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Kinderkirche
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2012

28. Juni 2012 (Aktualisiert: 15. Oktober 2012)

Mutiges Urteil

Beschneidung ist Körperverletzung

So schnell entstehen unheilige Allianzen: In seltener Einigkeit wettern Vertreter aller drei großen, mono­theis­tischen Religionen geschlossen gegen ein mutiges Urteil des Land­gerichts Köln, welches die religiöse Beschneidung von Jungen als Körper­verletzung unter Strafe stellt. Und gerade deswegen ist dieses Urteil gar nicht hoch genug einzu­schätzen, denn die Reaktionen offenbaren einmal mehr, daß in jeder großen Religion der Erhalt verkrusteter Macht­gefüge und das sture Beharren auf verstaubten Traditionen offen­sichtlich wichtiger sind als menschliche Werte und Toleranz.

Sobald es jemand auch nur wagt, an alten, religiösen Traditionen und Vorschriften zu rütteln und deren Zweck in der heutigen Zeit in Frage zu stellen, wird sofort die ganz große Keule ausgepackt und auf Religions­freiheit gepocht. Vertreter der Muslime und Juden in Deutschland und jetzt sogar die Bischofs­konferenz kritisieren das Urteil des LG Köln aufs Heftigste. Selbst einige Politiker ließen sich schon zu entsprechenden Äußerungen hinreißen und sehen wegen eines nur wenige Quadrat­zentimeter großen Stückchens Haut die gesamte freiheitlich-religiöse Grundordnung in Gefahr. Als ob Götter nichts besseres zu tun hätten.

Ihnen allen scheint entgangen zu sein, um was es hier wirklich geht – nicht um religiöse Befind­lich­keiten oder gar Einschränkungen der Religions­freiheit, sondern einzig um den Schutz von wehrlosen Kindern vor über­kom­menen, barbarischen Traditionen. Die Beschneidung von Mädchen (FGM) ist in zivilisierten Ländern seit langem völlig zu Recht verboten, die genitale Verstüm­melung von kleinen Jungen hingegen, insbesondere – aber nicht nur – unter dem Deckmantel der Religion, noch immer erlaubt.

Hier werden offenkundig verschiedene Maßstäbe angelegt, in diesem Fall sehr zum Leidwesen der Jungen. Daß FGM geächtet gehört, steht außer Frage. Doch warum dürfen männliche Kinder nicht denselben Schutz genießen? Auch hier können die Folgen dramatisch sein.

Jegliche genitale Verstümmelung Schutz­befohlener, unabhängig vom Geschlecht, ist ein Verbrechen.

Beschneidung bei Erwachsenen

Befürworter der Beschneidung, ob mit oder ohne religiösen Hintergrund, verklären die männliche Vorhaut gerne zu einem völlig nutzlosen, ja potentiell gar gefährlichen und krankheiten­verbreitenden Übel, welches so früh wie möglich entfernt werden sollte, am besten schon im Säuglings­alter. Dabei werden geflissentlich einige Dinge übersehen bzw. bewußt ignoriert:

  • Die Vorhaut erfüllt einen wichtigen biologischen Zweck, sonst wäre sie im Laufe der Evolution längst verschwunden: Sie schützt die besonders empfind­same Eichel vor Verletzungen, insbesondere aber vor permanenter Überreizung und nervlicher Abstumpfung. Zudem zählt sie dank ihrer zahlreichen Nerven­bahnen auch selbst zu den empfind­samsten Stellen am Penis und ist daher sexuell relevant.

  • Ein gerne gebrachtes Totschlagargument ist die Hygiene – eine Vorhaut gilt als Keim­schleuder. Nun mag es bei Wüsten­völkern tatsächlich so sein, aber in einer modernen Zivilisation kann man wohl davon ausgehen, daß jeder in der Lage ist, sich selbst und insbesondere den Intimbereich regelmäßig zu reinigen. Ohne Sexual­verkehr reicht schon eine einfache Reinigung mit klarem Wasser alle paar Tage völlig aus, es braucht nicht mal Seife.

    Die Vehemenz, mit der dieses „Argument“ vorgebracht wird, läßt vermuten, daß die Befürworter unfähig oder einfach zu faul für ausreichende Intim­hygiene sind. Ob eine Frau mit einem zwar beschnittenen, aber ungewaschenen Mann schlafen möchte, darf bezweifelt werden.

  • Ebenfalls gerne betont wird die angeblich geringere Ansteckungs­gefahr mit sexuell übertrag­baren Krankheiten, insbesondere aus Sicht der Frau. Verschiedene Studien wollen u.a. angeblich belegt haben, daß bei beschnittenen Männern das Übertragungs­risiko für HIV und HPV (Humane Papillom­viren, u.a. beteiligt an Gebär­mutter­krebs) um teilweise bis zu 60% geringer ausfällt. Doch bei genauerer Betrachtung offenbaren sich dermaßen viele methodische Fehler in diesen Studien, daß deren Ergebnisse zu einem guten Teil wissen­schaft­lich nicht haltbar sind. Unterm Strich zählen in erster Linie eine vernünftige Körper­hygiene sowie der Schutz durch Kondome.

Beschneidung bei Kindern

Steht nach obigen „Argumenten“ die Beschneidung von Männern generell schon auf wackeligen Füßen, wird es bei Kindern noch schlimmer, denn sie haben ihr gesamtes Leben unter dieser genitalen Verstüm­melung zu leiden:

  • Jede Operation, auch angeblich „minimal-invasive“ wie eine Beschneidung, birgt erhebliche Risiken, ernsthafte Komplikationen bis hin zu lebens­bedroh­lichen Situationen sind niemals auszuschließen. Sofern keine echte medizinische Notwendig­keit gegeben ist, muß ein solcher Eingriff daher grundsätzlich abgelehnt werden.

  • Eine Beschneidung von Säuglingen, wie sie vor allem im Judentum üblich ist, stellt eine der barbarischsten Kindes­miß­handlungen überhaupt dar. Die Schmerzen der Operation und vor allem danach sind unerträglich und für viele traumatisch. Der Körper des Kindes wird gewaltsam und vollkommen sinnlos einer natürlichen Schutz­funktion beraubt.

  • Die Vorhaut ist bei den meisten neugeborenen Jungen aus gutem Grund noch mit der Eichel verklebt (Konglutination) und kann nur mit roher Gewalt davon getrennt werden. Daher ist es auch absolut unhaltbar, eine Beschneidung aufgrund einer angeblichen Vorhaut­verengung (Phimose) vornehmen zu lassen – in jungen Jahren ist eine solche Diagnose noch völlig unmöglich.

    Eine echte Phimose ist i.d.R. erst zur Pubertät hin feststellbar, und selbst dann ist eine Beschneidung nur die allerletzte, weil denkbar schlechteste, Alternative.

  • Ohne Vorhaut wird die Eichel permanent überreizt und stumpft im Laufe der Zeit ab, bis hin zur fast völligen Gefühl­losig­keit. Auch die Vorhaut selbst ist von Bedeutung, da sie von zahlreichen Nerven­bahnen durchzogen und einer der empfind­samsten Teile am Penis ist. Sie zu entfernen beeinträchtigt das Sexual­leben auf Lebenszeit. Wer von Kind an beschnitten ist, kann nicht mehr nachempfinden, was ihm dadurch vorenthalten wird.

  • Die angeblich gesundheitsfördernden Aspekte einer Beschneidung sind vollkommen irrelevant, denn Kleinkinder haben eher selten Sexualpartner.

Religiöse Aspekte

Vor allem im Koran liest man auf praktisch jeder zweiten Seite, Allāh wäre allwissend und unfehlbar. Ist es da nicht schon Blasphemie, an der Vollkommen­heit der Schöpfung nicht nur herumzu­deuteln, sondern diese sogar auf eigene Faust zu „reparieren“? Wie kann es sein, daß ein angeblich so perfektes und unfehlbares Etwas Jungen mit einer Vorhaut zur Welt kommen läßt, die offenbar gar nicht gewollt ist? War Allāh nur ein schlampiger Wanderarbeiter, oder ist es doch wieder nur die allgegen­wärtige, menschliche Arroganz, die sich sogar über die eigenen, selbst­auferleg­ten Regeln hinwegsetzt und mit religiösen Totschlag­argumenten jedes Unrecht zu begründen versucht?

In Judentum und Islam dient die Beschneidung in erster Linie als Zeichen der Zugehörigkeit zur jeweiligen Religions­gemeinschaft. Und eine solch früh­kindliche „Zwang­seinweisung“ und Indok­trination ist aus Sicht der Kirchen auch dringend geboten, denn welcher vernunft­begabte, halbwegs intelligente Jugendliche würde sich freiwillig dem Glauben an Gespenster, mittel­alterlichen Ritualen und den damit verbundenen Beschränkungen unterwerfen, wäre er nicht von klein auf daran gewöhnt (worden). Religionen müssen von früh an Einfluß ausüben, wollen sie später brave Schafe in ihren Gemeinden haben.

Dabei spielt es auch keine große Rolle, ob solch eine zwangsweise Prägung in Form einer Beschneidung oder einer zwar weniger invasiven, moralisch aber ebenso verwerf­lichen Kindstaufe stattfindet: In allen Fällen werden die Kinder in eine marode Glaubenswelt gedrängt, ohne daß dabei ihr eigener Wille respektiert wird.

Unter diesem Gesichtspunkt ist das aktuelle Urteil keine Beschränkung der Religions­freiheit, sondern ganz im Gegenteil eine deutliche Stärkung: Es stärkt das Recht des Kindes auf seine eigene Religions­freiheit bzw. auch sein Recht auf Freiheit von Religion!

Beschneidung im Judentum

Gemäß den jüdischen Vorschriften der Thora muß ein männlicher Säugling am 8. Tag nach der Geburt beschnitten werden. Interessanterweise ist in den Schriften keineswegs davon die Rede, die gesamte Vorhaut zu entfernen, um den Bund mit Gott einzugehen. Eine Beschneidung kann auch dadurch erfolgen, daß lediglich das kleine überstehende Stückchen Haut entfernt wird. Bis in das 2. Jahrhundert n. Chr. hinein wurde diese zwar immer noch überflüssige, aber vergleichsweise harmlose Form der Beschneidung praktiziert.

Als jedoch zunehmend junge, jüdische Männer in Griechenland Möglich­keiten nutzten, durch Dehnen und Ziehen der verbliebenen Vorhaut das fehlende Stückchen weitest­gehend wieder­herzu­stellen, verschärften die Rabbiner das Ritual zur heute üblichen Form der Periah bis hin zur ultra-orthodoxen Perversion Metzitzah B’peh, bei welchem der Rabbiner das Blut mit seinem Mund absaugt. Um eine Restauration der Vorhaut und somit eine symbolische Zurück­weisung des Judentums wirksam zu verhindern, mußte ab sofort die gesamte Eichel freigelegt und die Vorhaut restlos entfernt werden.

Die heutzutage praktizierte vollständige Entfernung der Vorhaut ist keine überlieferte Grundlage des Judentums und somit kein göttliches Gebot, sondern eine Erfindung eifersüchtiger, sich in ihrem Stolz und ihrer Autorität verletzt sehender Rabbiner. Doch wenn schon damals eine jahrtausendealte Tradition willkürlich verschärft werden konnte, dann kann sie genausogut auch wieder entschärft werden. Diesen Machtverlust jedoch werden die Rabbiner zu verhindern wissen.

Und auch bei vielen jüdischen Eltern ist bislang keinerlei Einsicht zu erwarten, im Gegenteil. Daß bei der „feierlichen“ Zeremonie vor unbändiger Freude geklatscht und gar Freuden­tränen vergossen werden, während der ohne Betäubung beschnittene Säugling Todesängste durchstehen muß, zeigt die ganze Realitäts­ferne und Menschen­verachtung eines solchen Rituals sehr deutlich.

Aktuelle Entwicklung

Öl ins Feuer

Allmählich nimmt die Debatte groteske Züge an und wird insbeson­dere von Religions­vertretern zunehmend polemisiert, da diese bereits ihre gesamte irdische Existenz bedroht sehen. Es zeigt sich aber auch, daß noch ein sehr weiter Weg zu gehen ist, denn gerade unter Muslimen und Juden offen­bart sich oftmals eine unheil­volle Kombi­nation aus erschrecken­der Unwissen­heit und bedingungs­losem Kadaver­gehorsam: Es steht so in den Heiligen Schriften und muß daher zwingend befolgt werden.

Bei den meisten dieser Gläubigen ist bislang keinerlei Bereitschaft zu erkennen, derartige Traditionen einmal auf ihre Sinn­haftigkeit in einer modernen Welt hin zu prüfen, geschweige denn sich fundiert mit der Situation der Opfer zu befassen. Dazu werden die immer gleichen und schon seit langem widerlegten „Argumente“ vorgebracht, welche einem beschnittenen Penis eine angeblich bessere Hygiene sowie keinerlei Einschrän­kungen der sexuellen Empfind­samkeit attestieren wollen. Beides ist kompletter Unsinn! Das permanente Verleugnen dieser Tatsache grenzt an Lern­resistenz.

Zusätzlich befeuert wird der Streit durch Vertreter der Religionen oder solche, die sich dafür halten. Gerade aus jüdischen Reihen wird dabei mit Vergnügen noch immer an die Kollektiv­schuld der Deutschen nach den Ereignissen im Dritten Reich erinnert und damit der Anspruch auf Privilegien sowie besonderen Respekt begründet. Mit jeglicher Kritik an jüdischen Ritualen oder Personen sieht man sich als Deutscher direkt dem Vorwurf des Antisemi­tismus ausgesetzt.

Vertreter wie z.B. der Rabbiner Yitshak Ehrenberg sehen sich in ihrem Glauben und ihrer Religions­ausübung als der Wissen­schaft überlegen und auch über dem Gesetz stehend, die Rechte der Kinder sind vollkommen belanglos. Ehrenberg fürchtet in seinem obskuren Weltbild eine Strafe durch Gott mehr denn eine Strafe durch die deutsche Justiz.

In die gleiche Kerbe schlägt die frühere Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, welche gar die Frage stellt: „Wollt ihr uns Juden noch?“ Abgesehen davon, daß sie als Frau in dieser Sache eigentlich überhaupt nicht mitreden kann – noch nicht mal im Kindes­alter Beschnittene können wirklich beurteilen, was ihnen dadurch vorent­halten wurde – stellt auch sie, ebenso wie Ehrenberg, die Tradition und Religions­ausübung über sämtliche Gesetze und die Rechte der Kinder.

Zur Erinnerung sei diesen beiden lebenden Fossilien gesagt: Wir leben in Deutschland, wir haben ein Grundgesetz und jedes deutsche Kind hat unab­änder­liche Rechte! Sowohl im Judentum als auch im Islam gibt es zahlreiche aktive Bestrebungen, überholte Traditionen zu hinterfragen und bei Bedarf anzupassen. Es ist bislang kein Fall bekannt, in welchem der jeweils zuständige Sach­bearbeiter im Himmel nach einer solchen Anpassung und ggf. eines nur noch rein symbo­lisch durchgeführten Rituals seine apokalyp­tischen Gerichts­diener zu einer Standpauke losgeschickt hätte. Jede Tradition darf und muß kritisch hinterfragt werden, denn ohne diese Möglichkeit wäre die Menschheit überhaupt nicht in der Lage, sich weiter zu entwickeln.

Und es gibt eine zunehmende Zahl Gläubige, welche allmählich das kritische Denken erlernen und den blinden Gehorsam nach den Heiligen Schriften ablegen. Es sind noch zu wenige, doch diese sind hier in Deutschland jederzeit willkommen. Egal ob Juden oder Muslime – wer den demokra­tischen Rechts­staat und seine Gesetz­gebung akzeptiert und zumindest in der Lage ist, seine eigenen Traditionen kritisch zu hinterfragen, der ist hier jederzeit willkommen.

Für alle anderen, denen ihre verstaubten Rituale über allem stehen, die ihre gesamte Existenz durch ein winziges Stückchen Haut bedroht sehen und die sich über dem Gesetz zu stehen wähnen, all denen sei Charlotte Knoblochs Frage kurz und knapp beantwortet: Nein.

Fazit

Es ist längst überfällig, derartig barbarische Rituale zu ächten und unter Strafe zu stellen. Das mutige Urteil des LG Köln ist dabei ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Statt wehrlosen Jungen ein kleines, aber bedeutsames Stück ihres Körpers zu entfernen, sollten stattdessen lieber alte, religiöse Zöpfe abgeschnitten werden. Die Wahrung der körperlichen Unversehrtheit und Selbst­bestimmung eines Kindes darf niemals hinter religiösen Mimositäten zurückstehen.

Ein muslimischer Strafrechtler sagte in diesem Zusammenhang: „Das Landgericht macht es sich zu einfach. Man kann hier nicht einfach die Religions­freiheit gegen die Grundrechte des Kindes abwägen“. In einem modernen, aufgeklärten Staat fällt die Antwort darauf kurz aus: Doch, man kann – und muß! Und zwar zugunsten der Kinder.

Auch unter nicht-religiösen Gesichtspunkten ist eine Beschneidung im Kindesalter durch nichts zu rechtfertigen und daher klare Körper­verletzung. Eltern, die ihre kleinen Jungs ohne medizinische Notwendig­keit beschneiden lassen, handeln verant­wortungs­los, egal, ob bewußt oder aus Unwissenheit. Es steht jedem Mann frei, sich im Erwachsenen­alter selbst dafür zu entscheiden, doch bei Kindern wiegt das Recht auf körperliche Unversehrtheit deutlich schwerer als die Rechte der Eltern.

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