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2012

22. Februar 2012

Flughafen Berlin Brandenburg „Willy Brandt“

„Crash BER 2012“ – Vorbereitungsveranstaltung

Am 3. März 2012 wird auf dem neuen Flughafen BER der Ernstfall geprobt – die Bruchlandung einer voll besetzten Maschine. Die Rettungskräfte der gesamten Region werden im Großeinsatz sein. Wir Verletzten­darsteller wurden einige Tage vorher auf unseren Einsatz vorbereitet.

größeres Bild Am Terminal

Vom Bahnhof Schönefeld aus wurden wir nach Abgleich mit der Namensliste mit zwei Bussen raus zum BER gefahren und in ein großes, beheiztes Zelt geführt. Draußen war noch Zeit für ein paar Schnappschüsse vom hell erleuchteten Terminal, drinnen konnten wir uns dann erstmal mit Kaffee und Tee versorgen.

Vertreter der verschiedenen beteiligten Organisationen, u.a. der Flughafen­feuer­wehr, des Johanniter-RUD-Teams Lausitz („Realistische Unfalldarstellung“) sowie einer der beiden Notfallmanager des Flughafens stellten sich vor und erklärten Hintergründe, grobe Abläufe der Übung sowie erste Verhaltensregeln für die rund 100 „Opfer“, also uns.

größeres Bild Gute Stimmung im Briefing-Zelt

So wird das ganze Spektakel als Groß­sicherheits­test angekündigt und durchgeführt, was also auch Pressevertreter auf den Plan ruft. Zudem sind die Organisatoren stolz darauf, daß sich auch mehrere umliegende Krankenhäuser an der Übung beteiligen wollen, da laufen vereinzelt aber noch Verhandlungen.

Es ist sogar denkbar, daß Rettungskräfte bis aus Bad Saarow angefordert werden, was die Test­bedingungen noch erweitern würde: Die theoretische Fahrzeit zu einem Krankenhaus kann man kalkulieren, einen Stau auf der Autobahn nicht. Auch 1-3 Hubschrauber sind eingeplant – sofern verfügbar –, aber lediglich als „Deko“ (deren Notärzte greifen natürlich ein).

Der Vertreter der Feuerwehr präsentierte kurz ein paar technische Daten zu den Einsatz­fahrzeugen und ermahnte alle Teilnehmer eindringlich, sich an die Regeln zu halten und keinesfalls auf eigene Faust irgendwas zu unternehmen, wenn dann die Kollegen in ihren 40 Tonnen schweren Lösch­fahrzeugen (davon allein 11t Wasser) mit bis zu 130km/h angerauscht kommen. Auch einen Strahl mit der mehrfachen Wucht eines Wasserwerfers der Polizei und bis zu 90m Reichweite möchte niemand abbekommen.

Zum Einsatz kommen 1½ der insgesamt 3 vorhandenen Feuerwachen am BER. Der Rest verbleibt, um den Betrieb auf der nördlichen Bahn aufrecht zu erhalten, denn der normale Flugbetrieb auf dem alten Flughafen geht ja weiter. Dazu kommen später dann die Kräfte von außerhalb.

Das Szenario, welches sich auf der südlichen, neu gebauten Start- und Landebahn (SLB) abspielen wird, sieht vor, daß Flug XY 0110 der ÜbungsAir von Moskau nach Berlin in Bodennähe in heftige Scherwinde gerät und hart aufsetzt. Reifen zerplatzen, das rechte Fahrwerk des A320 bricht ein, ein Triebwerk schlägt auf und fängt Feuer. Die Maschine wird über Notrutschen evakuiert.

Simuliert wird das Ganze – auch durchaus aus praktischen und ggf. klimatechnischen Erwägungen – mit zwei Bussen anstatt einer Rumpfkulisse. Pyrotechnik wird es keine geben, aber zumindest Rauch ist vorgesehen.

größeres Bild Anstehen für unsere „Verletzungen“

Dann wurde es spannend und lustig – die Verteilung der Rollen. Gesucht waren zunächst: 5 Tote. Es ist schon ein wenig makaber, sich für den eigenen Tod anzustellen („Jeder nur ein Kreuz!“) Danach brauchte es dann noch insgesamt 40 Leicht- bis Schwer­verletzte. Alle übrigen Passagiere („Paxe“) bekamen Sonderrollen, die sie nach Möglichkeit und persönlichen Fähigkeiten spielen können und dürfen, z.B. Begleitperson eines Kranken, Fremdsprachler, körperliche Gebrechen, Diabetiker etc. Irgendjemand erleidet nachträglich einen Herzinfarkt und wir haben sogar einen echten Rollstuhl­fahrer dabei. Auf den Profilbögen dieser zumindest körperlich unversehrten Teilnehmer waren jeweils „Drehbuch­vorschläge“ für ihr Verhalten am Unfallort und später bei der Polizei vermerkt.

Gelächter gab es, als darauf hingewiesen wurde, daß die Schwer­verletzten sich schon mal darauf einstellen sollten, womöglich am längsten auf der Landebahn rumliegen zu müssen – abgesehen von den Toten. Der Grund ist zwar etwas makaber, aber plausibel: Zunächst sind nur die Flughafen­kräfte selbst vor Ort, externe Rettungs­kräfte können bis zu 20min brauchen, um die Unfallstelle zu erreichen. Da können sich die wenigen Ersthelfer nicht auf Opfer konzentrieren, die es möglicher­weise ohnehin nicht schaffen und deren tatsächliche Schwere der Verletzungen noch gar nicht abzusehen ist.

Statt also mehrere Kräfte auf einen Schwer­verletzten zu konzentrieren, wird eher versucht, eine größere Zahl „Paxe“ mit besseren Überlebens­chancen zu versorgen. Hierzu werden die Opfer mit Farbkarten versehen, je nach erster Einschätzung der Verletzungen grün, gelb, rot, blau oder schwarz. Anhand seiner Farbe könne man sich dann also schon mal die Uhr stellen, wie lange man wohl auf der Landebahn wird ausharren müssen. Und die Toten haben eh den längsten Tag …

Die Art der Verletzungen und somit das „Drehbuch“ wurde uns, anders als bei den Unverletzten, noch nicht mitgeteilt. Der RUD-Leiter erklärte hierzu durchaus zutreffend, daß wir ansonsten wohl bis übernächsten Samstag alle die jeweiligen Verletzungen ergooglen würden und dann bessere Patienten abgäben, als er jemals erlebt hat.

Aber ein paar Vorstellungen, was so alles möglich ist und uns durch Schminke und ggf. weitere Utensilien zugefügt werden wird, gab er dann doch: Von einfachen Schnitt- und Schürfwunden, Scherben am und im Körper über Knochenbrüche (auch offene), Schädel­verletzungen, Traumata bis hin zu schweren Rippen­brüchen und Verletzungen der Lunge – Bluthusten inklusive – das Angebot ist vielfältig. Wir bräuchten zwar nicht befürchten, daß die Rettungskräfte uns, so wie in einem realen Einsatz, falls nötig aus den Klamotten rausschneiden (Zitat: „Die fangen unten an und hören oben wieder auf.“), aber die Bekleidung an dem Tag sollte doch entbehrlich sein und ggf. entsorgt werden können.

Ein wichtiger Sicherheits­hinweis: Sollten wir uns während der Übung tatsächlich wehtun, z.B. beim Ausstieg den Fuß verrenken, dann hilft es natürlich herzlich wenig, dies den Rettern mitzuteilen, denn die halten das logischerweise für einen Teil der Rolle. Stattdessen gilt das Codewort „Tatsache!“ – und dann wird man real versorgt.

Wir wurden ausdrücklich ermuntert, unsere Rollen auszuleben. Die Opfer können und sollen je nach Zustand und Verfassung durchaus rumbrüllen oder in sich zusammen­kauern, nach Angehörigen suchen, anderen beistehen etc. Fast alles ist möglich, wir sollen es nur nicht übertreiben – nicht daß die Kollegen der Polizei dann ggf. tatsächlich ruhigstellende Maßnahmen ergreifen müssen (soll es wohl schon gegeben haben). Zudem sollten insbesondere wir Verletzten uns gut überlegen, ob wir nach der Übung und der Nachbesprechung mit all der Schminke, womöglich noch im ÖPNV, nach Hause fahren wollen, oder ob vorher abschminken nicht vielleicht doch die bessere Alternative wäre …

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