29. November 2013
Unberechenbarer Komet
ISON lebt
Für Überraschungen war der Komet ISON schon in den letzten Monaten während seines Fluges durch das Sonnensystem immer wieder gut. Und es scheint, als wolle er sein Schelmenstück bis zum Ende durchziehen. Sah es am Donnerstag Abend mit großer Wahrscheinlichkeit danach aus, daß sich ISON bereits vor der größten Annäherung an die Sonne zerlegt hätte, tauchte er wenigen Stunden später plötzlich wieder auf und scheint einen neuen Schweif auszubilden.
Schon mehrere Stunden vor seinem Periheldurchgang am 28.11. deuteten sich Probleme an. Nachdem seine Helligkeit mit zunehmender Annäherung an die Sonne zunächst erwartungsgemäß angestiegen war, brach sie dann plötzlich ein. Ein schon seit mehreren Tagen deutlich erkennbarer zweiter Schweif wurde allgemein als Anzeichen dafür interpretiert, daß sich bereits mindestens ein größerer Brocken vom Kometenkern gelöst hatte. Der nun folgende Helligkeitseinbruch schien zu bestätigen, daß der Komet sich schon während des Anflugs auf die Sonne unter deren Einfluß zerlegt und wahrscheinlich vollständig verdampfen wird.
LASCO C2: Ein verwaschener Schweif ohne erkennbaren Kometenkopf
Tatsächlich nahm die Helligkeit dann auch immer weiter ab. Auf den letzten Aufnahmen der SOHO-Sonde vor Durchqueren des „blinden Flecks“ der Sonnenblende war schon gar kein Kometenkopf mehr erkennbar, sondern nach kurzem Aufflackern nur noch ein ständig schwächer werdender, langgezogener Schweif. Aufnahmen anderer Sonden zeigten die Situation noch dramatischer, und im Sichtfeld des SDO-Satelliten war von ISON weder während des Periheldurchgangs noch in der Stunde jeweils davor und danach eine Spur zu entdecken, was selbst die zuständigen Wissenschaftler überraschte. Eventuell bringt hier die nachträgliche Auswertung und Nachbearbeitung der Bilder noch Erkenntnisse.
Im Laufe des Abends verbreitete sich zunehmend die Ansicht, daß ISON wohl Geschichte ist. Während auch ein Zerbrechen aus wissenschaftlicher Sicht von großem Wert ist – schließlich sind zahlreiche Instrumente und Observatorien auf den Kometen gerichtet, hätten sich alle natürlich eine etwas spektakulärere Show gewünscht. Auf einem Live-Kanal diskutierten Wissenschaftler mit Zuschauern darüber, was dort kurz zuvor zur Enttäuschung vieler passiert war.
„Hallo, da bin ich wieder!“
LASCO C2: Ein unscheinbares Objekt entfernt sich auf der Kometenbahn von der Sonne
Um 19:36 und 19:48 UTC zeigten Aufnahmen des SOHO-Instruments LASCO C2 dann plötzlich ein schwach leuchtendes Objekt, welches die Sonnenblende des Instruments verläßt und sich auf der Kometenbahn von der Sonne entfernt. Zunächst wurde angenommen, daß es sich hierbei lediglich um bald verdampfende Überreste handelt. Doch entgegen aller Vermutungen entfernte sich das Objekt immer weiter und legte dabei sogar wieder an Helligkeit zu.
Etwas später hatte dann auch LASCO C3 wieder Sichtkontakt und versetzte die Wissenschaftler vollends in ratlose Verwunderung. Zwar dürfte ISON durch die Korona der Sonne arg gebeutelt worden sein, doch ein veritabler Rest des Kerns scheint den Höllenritt überlebt zu haben.
Fast meint man in den aktuellen Bildern der SOHO-Sonde erkennen zu können, wie ISON den Wissenschaftlern eine lange Nase zeigt: Ein kurzer, breit gefächerter, aber deutlich sichtbarer Schweif ziert ein hell leuchtendes Objekt, welches sich von der Sonne entfernt, als sei nichts geschehen.
ISON zeigt einmal mehr seine Besonderheit und Unberechenbarkeit. Es bleibt also doch noch weiter spannend.