28. September 2012
Weltrekord
Der Drache
Ein 11 Tonnen schweres, feuerspeiendes Ungetüm belagert die Weltzeituhr auf dem Berliner Alexanderplatz. Unter donnerndem Grollen stampft es auf die Zuschauer zu und bläst drohend Rauch aus seinen Nüstern, doch letztlich will „Fanny“ ja nur spielen und wird ganz schnell wieder handzahm, wenn man sie am Nacken krault.
Solch gewichtiger Besuch ist auch nicht alle Tage in der Stadt: Aus Furth im Wald im oberpfälzer Landkreis Cham war für zwei Tage einer der Hauptakteure aus Deutschlands ältestem Volksschauspiel angereist – der Drache aus dem „Further Drachenstich“. Offiziell etwas sperrig „Tradinno“ genannt, eine Kombination aus Tradition und Innovation, heißt die Drachendame bei der Bedienmannschaft mit Spitznamen kurz und liebevoll „Fanny“ und ist mit ihren zarten 2 ½ Jahren gewissermaßen noch ein Drachenkind.
Der alte Drache, der für mehrere Jahrzehnte mit einem Gabelstapler im Bauch tapfer seinen Dienst verrichtete, hatte irgendwann doch das Rentenalter erreicht. Seit 2010 ist sein Nachfolger im Einsatz – ein vierbeiniger Laufroboter mit beachtlichen Ausmaßen: 15m lang, 5m hoch, 12m Flügelspannweite, 11t schwer. Er ist ausgestattet mit einer ganzen Reihe Spezialfunktionen wie z.B. einer vielfältig veränderbaren Mimik, Feuer und Rauch sowie leistungsstarkem Sound. Die Maschine wird von einem Dieselmotor mit 140PS angetrieben und von 4 Personen ferngesteuert. Gebaut hat dieses faszinierende Geschöpf die Firma Zollner Elektronik AG.
Weltrekordversuch
Die Vorführung am Donnerstag Nachmittag diente neben der Show einem besonderen Zweck – dem Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde als „weltgrößter, vierbeiniger Schreitroboter“.
Nach einer kurzen Demonstration der Fähigkeiten des Drachens begann zunächst die langwierige Prozedur des Vermessens. Mit einem Tachymeter wurden verschiedene Punkte des Drachens angepeilt, um die jeweils maximal möglichen Werte für Länge, Breite und Höhe zu ermitteln. Falls nötig, wurden Reflektoren angebracht, um die Messpunkte exakt anpeilen zu können. Und „Fanny“ ließ alles brav über sich ergehen. Selbst als ihr der Reflektor für eine Messung gar auf die Nase geklebt wurde, blinzelte sie nur gelassen.
Unter Aufsicht einer offiziellen Rekordrichterin, eines Gutachters sowie zweier unabhängiger Zeugen zog sich die gesamte Vermessung über rund eine Stunde hin. Anschließend folgte als Bestandteil der Aufgabe der Höhepunkt – die eigenständige Bewegung auf ihren vier gewaltigen Pranken über eine eher symbolische Strecke von 10m. Diese war zuvor ebenfalls abgemessen und markiert worden. Mit einer Geschwindigkeit von bis zu 1,8 km/h absolvierte „Fanny“ diese Aufgabe zwar recht gemächlich, aber sicher. Der Applaus war hoch verdient.
Verkündung des Ergebnisses
Die offizielle Bekanntgabe des Ergebnisses fand in den Abendstunden im Rahmen einer ebenso offiziellen Veranstaltung statt. Neben Vertretern des Landkreises Cham und geladenen Gästen waren auch Minister und Bundestagsabgeordnete anwesend, die sich in wohlwollenden, aber doch langwierigen Worten ergingen, was die Geduld der Zuschauer ein wenig strapazierte. Doch schließlich durfte der Hightech-Drache nochmals seine Fähigkeiten demonstrieren und symbolisch den Rekordversuch vom Nachmittag wiederholen.
Mit Dackelblick forderte „Fanny“ anschließend die Rekordrichterin auf, endlich das Ergebnis bekanntzugeben, was diese dann auch tat. Die geforderten Mindestmaße waren klar übertroffen worden und auch ihr kurzer Spaziergang am Nachmittag verlief reibungslos, daher war klar: Dieser Drache steht seit dem 27. September 2012 im Guinness-Buch der Rekorde. Das offizielle Zertifikat überreichte die sichtlich und hörbar zufriedene Drachendame selbst an ihren Schöpfer.
Fazit
Ein höchst beeindruckendes Ungetüm. Zwar wirken die Laufbewegungen noch recht künstlich, aber man darf nicht vergessen, daß selbständiger, vierbeiniger Gang für eine Maschine alles andere als trivial ist, noch dazu bei 11t Gewicht. Zeitweise lasten hier auf einem einzelnen Bein bis zu 5 Tonnen. Dementsprechend ist „Fanny“ auch mit modernster Elektronik und Sensorik ausgestattet, um überhaupt das Gleichgewicht halten zu können. Die Arbeit des Diesels und der anderen Maschinen im Inneren beim Schreiten waren deutlich zu vernehmen, auch optisch war das komplexe Zusammenspiel aller 4 Beine und die permanente Gewichtsverlagerung beeindruckend anzuschauen.
Ein solches ferngesteuertes „Spielzeug“ hätten sicherlich viele gerne – die Technik ist faszinierend. Und den Titel als derzeit weltgrößter, vierbeiniger Schreitroboter hat sich Drachendame „Fanny“ redlich verdient. Zwar ist dies der erste Rekord in einer völlig neuen Kategorie, aber das schmälert die gezeigte Leistung nicht im Geringsten. Herzlichen Glückwunsch.